Ohne Bewerbung zum Traumjob
von Matthias Menzel
Überfallmäßig in Betriebe gehen, um dort Gespräche mit Mitarbeitern zu führen und sie nach ihren Jobs zu fragen: Diese Art von Berufsorientierung kann einen im Vorfeld schon mal nervös machen. Zwölf Schüler des Friedrich-List-Berufskollegs wagten das Experiment während eines von der Sparkasse Herford gesponserten Life/Work Planning (L/WP) Seminars. An den ersten sechs Tagen der Herbstferien kamen sie in die Schule, um an dem Workshop „Endlich Montag! - Arbeit finden, auf die ich mich freue.“ teilzunehmen.
Bei dem von dem amerikanischen Arbeitswissenschaftler Richard N. Bolles entwickelten L/WP-Verfahren wird nicht wie sonst üblich der Arbeitsmarkt in Mittelpunkt gestellt, sondern der Mensch. „Ich gehe nicht auf die Suche nach Schwächen, um sie dann auszubügeln. Schwächen, das sind für mich Stärken im falschen Umfeld“, erklärt der L/WP-Trainer und Coach Heiko Link, der das Seminar leitete. „Einen frechen Schüler würde ich nicht zum Benimmkurs schicken. Ich frage lieber, ob er Lust hätte, Stefan Raab abzulösen“, fügt er lächelnd hinzu.
In dem Endlich Montag!-Ferienworkshop beschäftigten sich die Teilnehmer mit folgenden Fragen: Was sind meine Fähigkeiten und welche davon würde ich beruflich gerne einsetzen? Wo würde ich gerne arbeiten? Welche meiner Interessen könnte ich mit welchen Fähigkeiten gut kombinieren? Die Inhalte des Seminars lieferten die Schüler selbst. „Mir hat gefallen, dass alles auf mich persönlich zugeschnitten war. Es ging mehr um das was ich mag, als um irgendwelche Jobbezeichnungen. Ich habe mich wohl gefühlt“, findet die Teilnehmerin Fee Tezer. „Mir gefielen die verschiedenen Methoden, dass ich mich selbst besser kennengelernt habe und mich jetzt viel sicherer fühle“, berichtet Janna Deeken. „Es war entspannt und trotzdem lehrreich“, freut sich Reinhold Buchmann.
Aus den im Seminar gewonnenen Erkenntnissen und Ideen kann jetzt jeder Schüler eigenständig konkrete berufliche Möglichkeiten entwickeln. „Wie ein Beruf wirklich ist, dass können dir einzig und alleine die Leute sagen, die ihn ausüben“, findet Heiko Link. Deswegen gibt es im Seminar einen Ausgehtag, an dem in Zweiergruppen ausprobiert wird, wie leicht ich mit Arbeitnehmern in Kontakt treten kann. Ohne Anmeldung gingen die Jugendlichen in Betriebe, um dort Mitarbeiter um kurze Gespräche über ihre Jobs zu bitten. Laut dem Seminarleiter liegt die Erfolgsquote im Durchschnitt bei 82 Prozent: „Ich freue mich, dass es meine Teilnehmer in Herford geschafft haben, diese Quote sogar noch etwas zu verbessern.“ Durch die Gespräche in Firmen bekommen die Schüler nicht nur Orientierung, sie bauen sich auch ein Netzwerk auf. Die dabei entstehenden Kontakte, führen zur Einstellung. Schriftliche Bewerbungen werden dadurch überflüssig. „Die Jobs bekommen fast immer die Leute, die mit Namen und Gesicht persönlich bekannt sind“, betont Link.
Nach dem Seminar wollen die Teilnehmer die L/WP-Methoden umsetzen. Kontakte zu Mitarbeitern von Firmen aufbauen, sich auf die eigenen Fähigkeiten konzentrieren, weitere Ausgehtage machen, Firmen suchen, in die sie rein passen und Chefs von sich überzeugen und baff machen, sind nur einige der Dinge, die sie sich vorgenommen haben. Der L/WP-Trainer und Coach Heiko Link freut sich über die tolle Gruppe: „Ich bin schwer beeindruckt, was die Teilnehmer schon alles geleistet haben. Jeder Einzelne hat großes Potential.“