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Abi am Berufskolleg

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Für Jasmin Buchamer (17) und Helin Lara Yildirim (16) rückt das Abitur am Herforder Friedrich-List-Berufskolleg spürbar näher. | © Kristina Grube

Die fünf Berufskollegs im Kreis Herford kämpfen gegen zwei unsichtbare Probleme: Das Corona-Virus und hartnäckige Vorurteile gegenüber ihrem Abitur

Für die Schülerinnen Jasmin Buchamer und Helin Lara Yildirim der 12. Klasse des Friedrich-List-Berufskollegs rückt das Abitur immer näher. Wie bereits beim diesjährigen Jahrgang wird es bei ihnen wohl ebenfalls ein Abitur auf Distanz werden. Corona hat vieles verändert: Die Prüfungssituationen, den Schulalltag und auch die Sorgen der Schüler.

Als der Corona-Lockdown im März die Schulen erreichte, mussten sich die Schüler und Lehrer innerhalb eines Wochenendes von Zuhause aus organisieren. Vor allem die Schüler, die sich bereits auf der Zielgeraden zum Abitur befanden, traf der Lockdown zum wohl ungünstigsten Zeitpunkt. „Deswegen hat man den Schülern mehr Zeit zum Lernen eingeräumt und die Prüfungen entzerrt", sagt Schulleiter Ulf Kleine-Piening.

Sorgenpunkt Distanzunterricht rückt näher

Eine Situation, mit der auch Jasmin Buchamer und Helin Lara Yildirim rechnen müssen. Der Weg zum Abitur ist immer auch mit Spannung verbunden. Wird diese durch Corona verstärkt? „Man macht sich immer Sorgen um Noten und wie es weitergeht, sollte man eine Arbeit verhauen. Aber das hält sich alles in Grenzen", meint Buchamer. „Wir verzweifeln nicht", ergänzt Yildirim. Sie fühlten sich technisch nun gut ausgestattet, sollten sie noch einmal auf Distanzunterricht umsteigen müssen.

Im Sommer bekamen alle Schüler Microsoft Office 365, alle Lehrer wurden an zwei Tagen zum Unterricht über Videokonferenzen geschult. „Aber dieser Sorgenpunkt bleibt trotzdem", räumt Yildirim ein. Und jetzt, da Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nächste Woche bei den Bund-Länder-Gesprächen zur Corona-Krise für scharfe Kontaktbeschränkungen werben will, ist Yildirims Sorge begründet. Beim Infektionsschutz an Schulen müsse etwa über Distanzlernen bei Berufs- und Oberstufenschülern geredet werden, sagt Laschet.

Schüler reagieren mit Zusammenhalt

Die Schülerinnen des FLB wissen, Präsenzunterricht ist einfacher und schneller, wohingegen Online-Meetings von allen Teilnehmern viel Rücksicht erforderte. Doch Corona hat noch etwas bewirkt: das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Schülern hat sich verstärkt. „Wir sorgen uns umeinander, wir tauschen unsere Notizen aus und helfen uns. Man muss miteinander funktionieren, damit das Ganze funktioniert", sagt Yildirim.

Damit bei einer erneuten Schließung der Schulen alle Schüler erreichbar sind, müssen diese aber auch die technischen Mittel besitzen. Hier schaffe das Land jetzt Abhilfe für Familien, die finanziell schlechter aufgestellt sind. „Wir werden hoffentlich bald eine größere Anzahl an Tablets bekommen, die wir den Schülern ausleihen können", erklärt Kleine-Piening. Bei manchen Schülern scheitere es hingegen nicht daran, dass sie gar kein Gerät besäßen. „Aber wenn jemand zwei oder drei Geschwister hat, die zeitgleich daran arbeiten müssen, wird das zum Problem", gibt Yildirim zu bedenken. Dann musste der erarbeitete Unterrichtsstoff, den die Lehrer anschließend hochgeladen haben, selbstständig nachgearbeitet werden. „Da muss man den Lehrern mal ein großes Lob aussprechen. Wenn wir Probleme hatten, haben sie uns nicht im Stich gelassen, sondern waren immer da bei Nachfragen", sagt Yildirim.

Durch den ersten Abiturjahrgang unter Corona kenne man die Risiken jetzt, meint Kleine-Piening. „Ich würde mir da keine großen Sorgen machen, weil das dann geregelt werden muss – und zwar für alle und für alle gleich, damit das Abi gerecht und auf einem vernünftigen Niveau abläuft." Der letzte Jahrgang habe keinen Nachteil wegen Corona gehabt, ausgenommen der größeren Sorgen vielleicht, aber das könne man ihnen ja nicht nehmen.

Berufskollegs kämpfen gegen Vorurteile

Neben den Veränderungen durch die Corona-Pandemie kämpft das FLB wie alle Berufskollegs im Kreis Herford gegen ein weiteres, unsichtbares Problem: das Vorurteil, dass ein Abitur am Berufskolleg nicht gleichwertig zu dem an allgemeinbildenden Gymnasien sei. Im Kreis Herford haben vergangenes Jahr rund 1.300 Schüler ein Abitur gemacht: 745 an einem Gymnasium, 360 an einer Gesamtschule und 210 Schüler machten ein Abitur an einem der fünf Berufskollegs im Kreis Herford.

Jede Berufsschule habe zwar ihren inhaltlichen Schwerpunkt, wie das Friedrich-List-Berufskolleg mit Wirtschaft und Verwaltung und dem Fach Betriebswirtschaftslehre als festen Leistungskurs, doch diese Ausrichtung bedeute keinesfalls eine berufliche Einschränkung, erklärt Lehrer Matthias Menzel vom FLB. Obwohl man sich mit einem Schwerpunkt intensiv auseinander gesetzt habe, hieße das nicht, dass man nur an Fachhochschulen studieren dürfe. „Man darf an allen Hochschulen mit allen Fachrichtungen studieren", sagt Kleine-Piening.

Bonus: Kontakt zur heimischen Wirtschaft

Ein weiterer Bonus der Berufskollegs im Kreis Herford ist die Nähe zur heimischen Wirtschaft durch das duale System. „Wir bilden eben auch Auszubildende aus, da kennt man die Betriebe", sagt Kleine-Piening. Und das kann von Vorteil sein. Manche Unternehmen wollten ganz bewusst einen Abiturienten von einem Berufskolleg, das fachlich in die gesuchte Richtung passe. Der Schwerpunkt des Berufskollegs wird zudem in jedem Schulfach aufgegriffen. Helin Lara Yildirim hat sich für den Mathe-LK entschieden. „Da hatte ich noch nie den Gedanken, dass ich gerade etwas lerne, was ich später mal nicht brauche. An der Realschule habe ich das oft gedacht", sagt Yildirim.

Text und Bild: Kristina Grube, Neue Westfälische Zeitung (Online-Verision vom 21.11.2020)

 

Wege zum Abitur an den fünf öffentlichen Berufskollegs des Kreises Herford

Friedrich-List-Berufskolleg, Herford: 2020: 80 Abiturienten

Wilhelm-Normann-Berufskolleg, Herford: 2020: 18 Abiturienten

  • Kunst und Gestaltung (Kunst und Englisch)

Anna-Siemsen-Berufskolleg, Herford: 2020: 80 Abiturienten

  • Freizeitsportleiter (Sport und Biologie)
  • Erziehung (Biologie oder Deutsch und Erziehungswissenschaften).
  • Gesundheit (Gesundheit und Biologie)

Erich-Gutenberg-Berufskolleg, Bünde: 2020: 28 Abiturienten

  • Wirtschaft und Verwaltung (BWL und Deutsch, Englisch oder Mathematik)

August-Griese-Berufskolleg, Löhne: 2020: 14 Abiturienten

  • Informationstechnische/r Assistent/in (Mathematik und Technische Informatik)

 

Quelle: Berufskollegs des Kreises Herford

Printversion des Artikels in der NW vom 21.11.2020

Abi am BK NW 21_11_2020.pdf (343,8 KiB)

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